Gewährleistungsrecht NEU

 

 

Mit 01.01.2022 tritt das Gewährleistungsrichtlinien – Umsetzungsgesetz in Kraft, mit dem die österreichische Rechtsordnung an die Vorgaben der Warenkauf – RL 2019/771/EU („WK-RL“) sowie der Digitale-Inhalte-RL 2019/770/EU („DIDL-RL“) angepasst wird. Ziel der Richtlinien ist es, eine europaweite Angleichung der gewährleistungsrechtlichen Bestimmungen – insbesondere auch in Bezug auf digitale Inhalte – der Mitgliedstaaten zu vollziehen. Für den einzelnen Unternehmer wird dies selbstverständlich für die zukünftige Abwicklung von Gewährleistungsbelangen im Verbrauchergeschäft von Bedeutung sein, sowie in Bezug auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die unter Umständen angepasst werden müssen. Die Umsetzung der genannten Richtlinien erfolgt dabei durch Änderungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB), des Konsumentenschutzgesetz (KSchG) und durch die Einführung des neuen Verbrauchergewährleistungsgesetzes (VGG).  Um etwaige nachteilige Rechtsfolgen, welche sich aus veralteten Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) ergeben können, zu vermeiden, soll in Kürze auf die wesentlichen Neuerungen des Gewährleistungsrecht eingegangen werden.

 

 

Zeitlicher Anwendungsbereich

  • Die neue Rechtslage tritt mit 01.01.2022 in Kraft und gilt somit nur für Verträge, die nach dem 31.12.2021 geschlossen wurden.

 

 

Anwendung des VGG oder dem ABGB

In Zukunft muss im Gewährleistungsrecht zwischen der Anwendbarkeit des ABGB und des VGG sowie den Gewährleistungsbestimmungen im KSchG unterschieden werden.

Das VGG kommt ausschließlich bei Verträgen zwischen Unternehmern und Verbrauchern („B2C“) zur Anwendung. Die gewährleistungsrechtlichen Bestimmungen des ABGB kommen hingegen bei den sonstigen Verträgen (Tauschverträge über körperliche Sachen zB), in etwa zwischen Unternehmern („B2B“) oder zwischen Privaten („C2C“), zur Anwendung.

 

 

Neuerungen durch das VGG (B2C)

  • Allgemein: Mit der Digitalen-Inhalte-RL werden erstmal Verträge über digitale Inhalte und digitale Dienstleistungen durch die europäische Union aufgegriffen. Das neue Verbrauchergewährleistungsgesetz (VGG) gilt demnach für Verbrauchergeschäfte:
  • Über den Kauf von Waren (bewegliche körperliche Sachen), sowie wenn diese erst herzustellen sind (Werklieferungsverträge) und
  • Über die Bereitstellung digitaler Leistungen (Inhalte und Dienstleistungen) gegen Zahlung oder Überlassung personenbezogenen Daten
  • Ausgenommen aus dem Anwendungsbereich des VGG sind Verträge über den Kauf von Tieren, bestimmte elektronische Kommunikationsdienste, sowie Gesundheits-, Finanz- und Glückspieldienstleistungen.

 

  • Relativ zwingendes Recht: Bei den Regelungen des VGG kann grundsätzlich (vor Kenntnis des Mangels) zum Nachteil des Verbrauchers durch Vereinbarung nicht abgewichen werden.

 

  • Mangelbegriff: Der Begriff des Mangels wird im VGG über die vertraglich vereinbarten und objektiv erforderlichen Eigenschaften der Ware oder Leistung definiert.
  • Es wird eine Gleichstellung objektiver und subjektiver Kriterien vorgenommen. Zu beachten ist, dass objektive Anforderungen an eine Ware oder Leistung (in etwa die üblichen oder aufgrund einer Probe, einem Muster oder einer Testversion zu erwartenden Eigenschaften) nun unabhängig von einer ausdrücklichen oder konkludenten Erklärung gelten. Es kommt somit zu einer Art des „gesetzlichen Mindeststandards der Vertragsmäßigkeit“. Ein Abweichen dieser objektiv erforderlichen Eigenschaften ist nur insofern möglich, als der Verbraucher von der Abweichung vor Vertragsschluss eigens in Kenntnis gesetzt worden ist, sowie er (der Verbraucher) dieser ausdrücklich und gesondert zustimmen muss. Pauschale Hinweise und Zustimmungserklärungen reichen dabei nicht aus!

 

  • Aktualisierungspflicht: Es sind Aktualisierungspflichten des Unternehmers für Waren mit digitalen Elementen (zB Smartwatch) und für digitale Leistungen vorgesehen, die eine Aufrechterhaltung der Mängelfreiheit ermöglichen sollen. Diese Verpflichtung kann nur durch Individualvereinbarung ausgeschlossen werden, nicht in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen. (qualifizierte Zustimmung erforderlich)
  • Dauer der „Update-Pflicht“: Bei der Dauer der Aktualisierungspflicht ist zu differenzieren:
    • Ist die Aktualisierungspflicht nach dem Vertrag fortlaufend (zB zu einem Videoportal) bereitzustellen, umfasst sie den Zeitraum der Dauer der jeweiligen Bereitstellungspflicht, beträgt bei Waren mit digitalen Elementen aber mindestens zwei Jahre nach Übergabe.
    • Ist die digitale Leistung nach dem Vertrag einzeln bereitzustellen (zB E-Book mit unbefristetem Nutzungsrecht), besteht eine Aktualisierungspflicht während einer objektiv zu erwartenden Zeitspanne.

 

  • Gewährleistungsumfang und Gewährleistungsfrist: Der Unternehmer leistet prinzipiell Gewähr für Mängel, welche bei der Übergabe von Waren bzw. bei der Bereitstellung der digitalen Leistung vorlagen und innerhalb von zwei Jahren hervortreten.
  • Die Gewährleistungsfrist ist nicht mehr wie bisher als „Verjährungsfrist“ zu sehen, sondern als einen Zeitraum, in dem ein Mangel hervorkommen muss, damit gewährleistungsrechtliche Folgen ausgelöst werden. (Haftungsfrist) An die Gewährleistungsfrist schließt die Verjährungsfrist an, in der die Gewährleistungsansprüche klageweise, geltend gemacht werden müssen oder dem Unternehmer zumindest ein Mangel angezeigt werden muss, damit eine Einrede gegen die Entgeltforderung des Unternehmers zusteht.

 

  • Fristen: Bei den Gewährleistungsfristen ist zwischen Gewährleistungs- und Verjährungsfristen, Sach- und Rechtsmängeln und nach Vertragsgegenstand zu differenzieren:
  • Für Waren beträgt die Gewährleistungsfrist, innerhalb der der Mangel hervorkommen muss, zwei Jahre ab Übergabe. Gleiches gilt für digitale Einzelleistungen.
  • Für Waren mit digitalen Elementen umfasst die Gewährleistungsfrist den gesamten Bereitstellungszeitraum, mindestens aber zwei Jahre ab Übergabe.
  • Für fortlaufende digitale Leistungen umfasst die Gewährleistungsfrist den gesamten Bereitstellungszeitraum.
  • Für unbewegliche Sachen gilt weiterhin eine Gewährleistungsfrist von drei Jahren.
  • Bei gebrauchten Waren kann die Gewährleistungsfrist durch Individualvereinbarung (nicht durch AGB) auf ein Jahr verkürzt werden; bei Kraftfahrzeugen ist eine derartige Verkürzung nur möglich, wenn seit dem Tag der ersten Zulassung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
  • Ab Ablauf der Gewährleistungsfrist läuft eine zusätzliche dreimonatige Verjährungsfrist, innerhalb der der Mangel gegebenenfalls eingeklagt oder dem Unternehmer zum Erhalt der Einrede angezeigt werden muss.

Für Rechtsmängel gilt weiterhin eine Verjährungsfrist von zwei (bei unbeweglichen Sachen: drei) Jahren ab Kenntnis des Mangels.

 

  • Gewährleistungsbehelfe: Das VGG sieht – wie aus dem allgemeinen Gewährleistungsrecht bekannt – eine Rangfolge von Gewährleistungsbehelfen vor, die dem Unternehmer eine zweite Chance ermöglichen soll, einen mangelfreien Zustand herstellen zu können. Hierbei besteht im Grunde der vorrangige Anspruch auf Verbesserung oder Austausch, wobei dem Verbraucher beim Warenkauf die Wahlmöglichkeit zwischen den beiden genannten primären Gewährleistungsbehelfen zukommt, dem Unternehmer hingegen bei der Bereitstellung digitaler Leistungen die Wahl obliegt, wie der mangelfreie Zustand hergestellt werden soll. Unter bestimmten Voraussetzungen, die nur teilweise von dem allgemeinen Gewährleistungsrecht abweichen, kann der Verbraucher auf die sekundären Gewährleistungsbehelfe der Preisminderung und der Vertragsauflösung, welche bisher als Wandlung bezeichnet wurde, zugreifen. Alle Behelfe können durch formfreie Erklärung geltend gemacht werden. Eine gerichtliche Geltendmachung der Vertragsauflösung ist somit nicht mehr erforderlich. Viel mehr ist der Vertrag mit Zugang der Auflösungserklärung beim Unternehmer aufgelöst.

 

  • Vermutung bei Hervorkommen eines Mangels: Es kommt zu einer Verlängerung der bisherigen Vermutungsfrist des Vorliegens eines Mangels von sechs Monate auf zwölf Monate. Somit wird bei Hervorkommen eines Mangels der Ware innerhalb des ersten Jahres nach Übergabe davon ausgegangen, dass der Mangel bereits bei der Übergabe vorgelegen ist. Dies bedeutet, dass der Käufer innerhalb dieses Zeitraumes nicht beweisen muss, dass der Mangel zum Zeitpunkt der Übergabe vorhanden war. Viel mehr muss der Verkäufer beweisen, dass der Mangel zu diesem Zeitpunkt nicht bestand. Bei fortlaufenden digitalen Leistungen trifft den Unternehmer die Beweislast über die Vertragsmäßigkeit hingegen über den gesamten Bereitstellungszeitraum.
  • Im Anwendungsbereich des ABGB also im Unternehmergeschäft bleibt die Vermutungsfrist von 6 Monaten erhalten.

 

  • Unsachgemäße Montage, Installation oder Integration: Der Unternehmer haftet – sofern eine entsprechende Pflicht übernommen wurde – auch für die fehlerhafte Montage oder Installation der Ware sowie für die fehlerhafte Integration der der digitalen Leistung. Das gleiche gilt, wenn die unsachgemäße Montage, Installation oder Integration durch den Verbraucher auf einen Fehler in der vom Unternehmer mitgelieferten bzw. bereitgestellten Anleitung beruht. Hinsichtlich der Waren, welche digitale Elemente enthalten ist zu beachten, dass Unternehmer auch für fehlerhafte Anleitungen haften, die vom Anbieter des digitalen Elements stammen.

 

  • Vertragsänderungsrecht: Der Unternehmer kann sich bei fortlaufenden digitalen Leistungen im Vertrag das Recht zur Vertragsanpassung aus triftigem Grund einräumen lassen. Die Änderung und der Grund müssen dabei in der Änderungsklausel konkret angeführt werden, des Weiteren darf es dadurch zu keiner zusätzlichen Kostenbelastung des Verbrauchers kommen. Wichtig: Das Recht des Unternehmers auf Änderung der digitalen Leistung gilt nur für Verträge, die ab dem 1.1.2022 geschlossen wurden.

 

 

Neuerungen im B2B sowie im B2C Bereich

  • Aktualisierungspflicht: Die bereits oben ausgeführte Aktualisierungspflicht des Unternehmers bei digitalen Leistungen sowie Waren mit digitalen Elementen (zB Smart- TV) besteht ausnahmsweise auch für Verträge, die zwischen Unternehmern geschlossen wurden. Der Unternehmer muss daher die Aktualisierung zur Verfügung stellen, die zur Aufrechterhaltung der Mängelfreiheit erforderlich sind. Diese Pflicht zur Aktualisierung kann nur durch Individualvereinbarung ausgeschlossen werden und nicht in etwa durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen.

 

  • Gewährleistungsfrist: Die neue Konzeption der Gewährleistungsfrist, als Zeitraum in der der Mangel hervortreten muss und die darauffolgende Verjährungsfrist, in der die Geltendmachung des Mangels zu erfolgen hat, wird auch in das ABGB übernommen und ist somit im Unternehmergeschäft zu beachten.

 

  • Gewährleistungsbehelfe: Für die Geltendmachung der Gewährleistungsbehelfe der Preisminderung und der Vertragsauflösung (früher Wandlung) im Unternehmergeschäft bedarf es keinerlei Formerfordernisse. (Formfreiheit) Eine formlose Erklärung reicht aus, das frühere Erfordernis einer gerichtlichen Geltendmachung entfällt.

 

Diese Übersicht dient ausschließlich der unverbindlichen Information und ersetzt keine individuelle Rechtsberatung, weshalb hierfür auch keine Haftung übernommen werden kann.